Kupieren – Muss das sein?

Als nahezu einzige Blogseite die sich mit Listenhunden beschäftigt, möchte ich heute mal ein besonders schweres Thema anschneiden, bei dem sich die meisten deutschen Hundehalter ausnahmsweise mal einig sind – das Kupieren.

Das Kupieren bezeichnet die operative Entfernung der Ohrmuschel und/oder der Rute des Hundes durch den Menschen. So unmenschlich es uns in Deutschland auch erscheint, so normal ist dieser Brauch heute noch in anderen Ländern.

Kupieren der Ohren – Cropping
Pitbulls, Staffords, Dobermännern, Boxern und ähnlichen Rassen werden in einem Alter von etwa 7-14 Wochen Teile der Ohren amputiert. Heutzutage geschieht dies meist beim Tierarzt unter Vollnarkose und wird in vielen Ländern als Routine-Eingriff angesehen.
Hier wird das Ohr in ein Metallgestell (Kluppe) eingeklemmt und dann abgeschnitten. Durch die Kluppe wird sichergestellt, dass beide Ohren nach dem Kupieren eine identische Form aufweisen – ähnlich einer Schablone. Die Wundränder werden anschließend zur besseren Heilung vernäht. Man kann sich sogar je nach späterer Verwendung, Rasse und optischer Vorliebe verschiedene „Crops“ aussuchen, beispielsweise:
Battle Crop: die kürzeste Variante, bei der so gut wie nichts vom äußeren Ohr übrig bleibt; ursprünglich für aktive Kampfhunde genutzt, damit die Ohren während eines Kampfes nicht verletzt werden können
Short Crop: etwas längerer Crop als der Battle Crop
Show Crop: für Ausstellungshunde genutzt, etwas länger als der Short Crop
Long Crop: einer der längsten Cropping-Varianten für Hundes des Pitbull-Typus; es wird 3/4 der normalen Ohrlänge beibehalten

Nach dem Abschneiden der Schlappohren ist jedoch der Vorgang nicht vorbei. In den kommenden Wochen und Monaten müssen die Ohren bei längeren Crops (wie beim Dobermann auf dem Foto) straff verklebt werden. Hierbei werden sie durch Klebeband an beispielsweise einer leeren Toilettenpapier-Rolle oder Holzstäben fixiert und somit dauerhaft aufrecht gestellt. So soll verhindert werden, dass sich die Wundränder zusammenziehen und die Ohren deformiert werden. Der Ohrknorpel verhärtet sich in dieser Zeit so, dass das einstige Schlappohr auch wirklich das ganze Hundeleben steht. Dieser Vorgang kann mehrere Wochen dauern, je nachdem wie alt der Welpe ist und wie schnell sich der Ohrknorpel verhärtet. Der Hund bekommt damit das charakteristische, kupierte Stehohr.

Taping – Kleben von Naturbelassenen Ohren
Es gibt auch andere Methoden, an Ohren zu arbeiten. Das „Tapen“ ist besonders bei Boxern, Doggen und American Bulldogs, die verhältnismäßig dicke und lange Ohren haben weit verbreitet. Hier werden jungen Hunden, die entgegen dem Rassestandard „Rosenohren“ (also halb nach hinten geknickte Ohren, wie unsere Damen es haben) aufweisen, die Ohren mit etwas Klebeband so geklebt, dass sie ordentlich nach vorn fallen und in der Mitte kein Knick mehr entsteht. Diese Art der Veränderung am Ohr sieht zwar „verdächtig“ aus, ist aber für den Hund schmerzfrei und kann sogar neben der optischen Verschönerung gesundheitliche Probleme lösen – es gibt keine entzündeten Knickstellen mehr, wie es beim Rosenohr üblich ist.

Verwechslungsgefahr: Es gibt viele Hunderassen, denen fälschlicherweise unterstellt wird, kupiert zu sein. Französische Bulldogggen oder Miniatur Bullterrier weisen beispielsweise ganz natürlich Stehohren auf.
Ebenso gibt es Rassen, die von Natur aus keine Rute besitzen, wie die englische Bulldogge oder der Australian Shepherd. Hier ist oft nur noch ein kurzer Stummel vorhanden. Diese vererbte Behinderung nennt man Brachyurie. Es ist verboten, zwei Hunde mit Brachyurie zu verpaaren. Welpen, die so entstehen sterben oft bereits im Mutterleib an den Folgen dieser Deformierung, die sich bis in den Rest der Wirbelsäule ziehen kann.

Kupieren der Rute – Docking
Boxern, Dobermännern und verschiedenen Jagdhunderassen wird 1-3 Tage nach der Geburt die Rute hinter einem der ersten Wirbel abgetrennt.
Dies geschieht entweder durch einen erfahrenen Tierarzt mit einem Skalpell oder einem dauerhaft angelegten Gummiband, das die Blutzufuhr stoppt und das untere Schwanzende absterben lässt. Die Rute wird nach diesem Vorgang als „Docked“ bezeichnet. Je nach Rasse gibt es auch hier verschiedene Längen, die man wählen kann. Schwierig ist es jedoch in diesem Alter, die jungen Hunde zu narkotisieren, weshalb dieser Vorgang meist ohne Betäubung vorgenommen wird. Befürworter sagen, in diesem Alter würden die Welpen davon nur wenig spüren – wissenschaftlich ist diese These jedoch nicht belegbar.
Früher versprach man sich vom „Docking“ irrtümlicherweise eine Entwurmung – da die Sehnen der Rute in diesem Alter noch sehr zart sind und somit wirken wie Würmer, erwartete man hiermit ein absterben eben dieser und vermutete, dass der Hund somit wurmfrei sei. Natürlich ist das vollkommener Quatsch.

Befürworter des Kupierens sprechen von einer geringeren Anfälligkeit der Hunde. Jagdhunde wären nicht mehr so verletzlich, wenn sie im Gestrüpp nach Wild suchen würden und Wachhunde könnte man durch die fehlende Rute und die Ohren nicht so schnell gezielt verletzen oder festhalten. Besonders in Hundekampfkreisen mag das zutreffen – wer einmal gesehen hat, wie stark auch nur der kleinste Schlitz im Ohr bluten kann, kann sich vielleicht vorstellen was das für einen Hund im Ring bedeutet, wenn ihm das Ohr vom Gegner abgerissen wird. Man muss jedoch auch fairerweise sagen, dass die meisten kupierten Hunde nicht aufgrund ihres „Jobs“ kupiert werden. Oft geht es tatsächlich einfach nur um die rassespezifische „Optik“, wie man sie von früher gewöhnt ist.
Besonders oft werden im Zusammenhang des Nutzens auch die Knickstellen der Schlappohren benannt, die bei den meisten Hunden gerötet und entzündet sein können. Auch bei der Rute gibt es ähnliche vereinzelte Aussagen von Hundebesitzern, die berichten dass sich ihre Hunde die Ruten durch überschwängliches Wedeln oft an Gegenständen anschlagen und stark verletzen würden, bis sogar Nekrosen entstehen. Tatsächlich ist das nicht allzu weit hergeholt – auch Lana und Maila haben hin und wieder Probleme damit. Ob das nun direkt eine Amputation mit darauffolgendem Wund- und Phantomschmerz indiziert, ist jedoch fragwürdig.
Jeglicher Widerstand gegen Cropping und Docking wird damit abgetan, dass es ja auch durch Zucht zu optischen Veränderungen kam, die dem Hund je nach Rasse auch schaden könnten. Man redet von Qualzuchten und davon, dass ein gesunder, kupierter Dobermann dennoch deutlich besser dran wäre, als ein Mops oder ähnliche Rassehunde, die nicht einmal normal atmen könnten. Für mich fällt das jedoch fast schon unter „Whataboutism“. Man sollte seine eigene fragwürdige Handlung nicht mit dem Versagen anderer entschuldigen.

Manch ein Besitzer verspricht sich auch damit, dass sein „Kampfhund“ aggressiver und edler aussieht und man mehr Respekt vor ihm hat. Einige Hundehalter empfinden aber kupierte Hunde auch einfach als schöner als unkupierte.

Da ich einige Zeit viel in amerikanischen Facebookgruppen unterwegs war, habe ich festgestellt dass es in Amerika viel offenere Sichtweisen gibt als hier in Deutschland – auch bei anderen Thematiken rund um den Hund. Schätzungsweise jeder zweite Hund des Pitbull-Typus ist dort kupiert. Man kennt es dort oft nicht anders und hinterfragt diese Vorgehensweise nicht. Fragt man in so einer Gruppe nach einem guten Tierarzt, der erfahren im „Cropping“ ist, bekommt man viele Empfehlungen wen man mit seinem Welpen aufsuchen kann und welcher Arzt besonders schöne Crops anbietet. Nur etwa 1/3 der Antwortenden sehen das Cropping als kritisch an. Für mich ist das sehr befremdlich, aber auch sehr spannend zu beobachten. In meinem Leben habe ich hier in Deutschland wenn es hochkommt maximal 3 kupierte Hunde gesehen.

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Fazit
Ich persönlich empfinde ebenfalls kupierte Hunde als hübscher und stehe auch dazu. Jedoch ist mir voll und ganz bewusst, dass die Tiere dadurch monatelang erhebliche Schmerzen durchleben müssen, die man nunmal nicht wegdiskutieren kann. Meinen Hunden würde ich so eine Tortur niemals antun – ich kann mir nichtmal vorstellen meinem unschuldigen Welpen der mir vertraut, grundlos den Schmerz einer Amputation zuzufügen. Ich empfinde die Ohren meiner Hunde als Teil ihrer Persönlichkeit. Und solange sie keine ernstzunehmenden medizinischen Probleme machen, bleiben sie da wo sie hingehören: mal hinten, mal nach vorne geklappt und bei gutem Wetter auch mal ganz ausgestreckt wie eine Pommestüte 😉 
Aber zurück zum Thema: Besonders Ohren und Rute des Hundes sind wichtige Bestandteile der Kommunikation unserer Vierbeiner. Wenn ich mir vorstelle, meine beiden Damen ohne Ohren und Rute im Training körpersprachlich lesen zu müssen, stelle ich mir das als unnötige Erschwernis vor. Wie fühlen sie sich dann selbst nur dabei, wenn es mich schon so stört? Vielleicht ist das Ganze mit unseren menschlichen Stotterern zu vergleichen – man möchte seinem Gegenüber etwas ausdrücken, kann es aber nicht so schnell deutlich machen, wie es vielleicht gerade nötig wäre und wird wenn es blöd läuft übergangen. Ich denke jeder, der von so einer Einschränkung betroffen ist würde diese gern ablegen. Warum sollten wir also unsere Hunde gewollt so einschränken?
Es gibt also kein Argument, um das Kupieren wirklich zu legitimieren. Es ist meiner Meinung nach ein Greuel, seinem Tier nur aus ästhetischen Gründen Schmerzen zuzufügen und es in seinem Sozialverhalten einzuschränken. Selbst wenn es sich im Laufe seines Lebens doch mal an Ohren oder Rute verletzen sollte – kupieren kann man immernoch, wenn es medizinisch nötig sein sollte!

Meiner Meinung nach zurecht ist in Deutschland das Kupieren der Rute seit 1998 und das Kupieren der Ohren bereits seit 1987 verboten. Österreich zog im Jahr 2000 nach und verbot beides ebenfalls. Lediglich jagdlich genutzte Hunde oder Hunde die aufgrund medizinischer Indikation kupiert werden müssen, dürfen es noch. Außerdem darf man kupierte Hunde nicht nach Deutschland einführen. Trotzdem stammen auch heute noch viele kupierte Hunde aus dem Ausland. Manch einer bringt seine deutschen Welpen extra ins Ausland, um diese Gesetze zu umgehen. Es gibt eben leider immer einen Weg, Gesetze zu umgehen.