Das Brimborium um den „Kampfhund“-Begriff
In der Hundeszene gibt es so manche Worte, die man lieber nicht aussprechen sollte. Dieses gehört definitiv dazu. Auch, wenn die Listenhundszene eh schon ziemlich gespalten in verschiedenen Themen sind, manifestiert sich das Problem hier in seiner wahren Größe. Es geht um den Begriff Kampfhund, der ständig hinterfragt und angeprangert wird. Aber warum eigentlich?
Die Geschichte unserer Rassen
Der Begriff Kampfhund beschreibt Hunderassen, die früher in Arenakämpfen eingesetzt wurden. Hierbei handelte es sich entweder um Kämpfe gegen andere Hunde, aber auch gegen andere Tierarten wie Wölfe, Bären, Dachse oder aber auch Ratten. Es kristallisierten sich Rassen heraus, die extra für diese Verwendung gezüchtet wurden. Man kreuzte Bulldoggen mit starkem Willen mit der Schnelligkeit der Terrier. Diese entstandenen Hundeschläge wurden früher unter dem Begriff „Bull-and-Terrier“ zusammengefasst. Aus diesen Vertretern entwickelten sich später beispielsweise der American Pitbull Terrier oder der Bullterrier. Aber auch kleinere Hunderassen wie der Yorkshire Terrier entstanden unter anderem zu diesem Zweck. Es wurde also gezielt Aggressionspotenzial im Hund gesucht und gefördert. Höchstes Gut war hier jedoch immer, dass der Hund niemals seinen Besitzer angehen durfte, denn das wäre in der Arena fatal. Man musste die Tiere immerhin noch trennen können, wenn es kein Kampf um Leben und Tod sein sollte.
Auch heute noch gibt es in vielen Regionen der Welt Hunde- und Tierkämpfe, vor allem im Ostblock und Amerika. Das Ganze wird auch heute noch besonders in armen Regionen wie ein Sport angesehen, es bietet leider Gottes einen gewissen Unterhaltungswert und es wird nicht selten Geld auf die Tiere gesetzt. Wer „Pitbullat“ oder ähnliche Begriffe sucht, findet hunderte Hunde, die entweder in Videos kämpfen, mit denen geposet wird oder die deutliche Narben von Hundekämpfen aufweisen. Das Thema ist also noch lange nicht vom Tisch – Hundekämpfe sind real. Jene Hunde, die oft gewonnen haben dürfen ihre Gene weitergeben und erreichen im Verkauf enorme Summen, ähnlich wie bei Rennpferden. Die daraus resultierenden Welpen sind so stark im Trieb, dass sie sich schon mit 8 Wochen ineinander verbeißen – Genetik ist eben kein Mythos.
Dass das Ganze absolut tierschutzwidrig ist, darüber muss man an dieser Stelle wohl nicht diskutieren.
Irgendwann erfolgte jedoch ein Umschwung: 1835 wurden Tierkämpfe immer verpönter und in Großbritannien, der Heimat der meisten „Kampfhundrassen“ verboten. Rassen wie der American Staffordshire Terrier wurden mehr und mehr zu Begleithunden. Alle aggressiven Eigenschaften waren in der Zucht plötzlich nicht mehr erwünscht und wurden konsequent aussortiert. Die Bevölkerung war sich der Vergangenheit zunehmend weniger bewusst und die Hunde eigneten sich immer besser als Familienhunde. Ihre freundliche Art dem Menschen und vor allem Kindern gegenüber machte dies möglich. Noch heute erzählt man sich deshalb den Mythos vom Staffordshire Bullterrier als „Nanny Dog“ – auch, wenn umstritten ist, ob diese Geschichten nun ernstzunehmend sind oder nicht. Auch mit einem Hund der Kampfhundrassen ließ es sich mit der Zeit relativ entspannt leben, die genetischen Voraussetzungen waren zwar nicht völlig verschwunden, aber deutlich abgeschwächter.
Mit dem Fall Volkan änderte sich jedoch das Bild der Bevölkerung gegenüber diesen Rassen schlagartig. Die Medien verbreiteten den Begriff Kampfhund intensiv unter einem schlechten Image. Hundebesitzer, die auch zu dieser Zeit schon Amstaff und Co. besaßen, berichten oft von einem extremen Umschwung. Konnte man vorher noch entspannt durch die Stadt laufen, wurde man plötzlich umgangen und sogar direkt angefeindet. Man konnte also plötzlich nicht mehr stolz von sich behaupten, einen „Kampfhund“ zu besitzen ohne sofort abgestempelt zu werden. Die Rasseliste war geboren, und der weniger geschichtlich geprägte Begriff des „Listenhundes“ kam mit ihr.
Die Außenwirkung macht`s
Allerdings steckt auch hier das Problem. Listenhundbesitzer kämpfen seit jeher dagegen, dass ihre Vierbeiner als aggressiv angesehen werden. Das Ganze ist existenziell wichtig, wenn man bedenkt dass es in einigen Länder vollständige Verbote für Kampfhunderassen gibt. Liebt man seinen Hund, möchte man ein möglichst gutes Bild in der Öffentlichkeit wahren und unterliegt dem – wenn auch unterbewussten – Zwang, immer nett auf Außenstehende zu wirken und nach Möglichkeit nicht anzuecken. Seinen Hund als „Kampfhund“ zu betiteln bewirkt genau das Gegenteil eines guten Eindrucks. Es ist also schon etwas verständlich, dass einige nicht besonders glücklich reagieren, wenn sie auf der Straße mit den Worten „Oh, ist das ein Kampfhund?“ angesprochen werden. Was antwortet man? Man weiß ja nicht, wie das Gegenüber auf ein „Ja“ reagiert.
Es dreht sich bei dieser Sichtweise jedoch eigentlich alles nur ums Image des Wortes. Rein logisch ist es korrekt, wenn man sagt man besitze einen Kampfhund. Denn: es gibt auch Jagdhunde oder Hütehunde. Hier fragt sich niemand, ob der Vierbeiner der vor ihm sitzt tatsächlich jagdlich geführt wird oder zuhause eine Herde Schafe auf ihn wartet. Es würde keinen Unterschied machen, der Begriff der „Jagdhunderassen“ würde trotzdem bleiben – völlig irrelevant, ob der Vierbeiner tatsächlich noch seine „Jobbezeichnung“ ausübt oder nicht. Niemand würde sich angegriffen fühlen.
Wie man es dreht und wendet: es ist schon etwas verständlich, dass man nicht gern „Kampfhundbesitzer“ sein möchte. Es klingt einfach nicht schön und das Gegenüber könnte sofort das negative Image im Kopf haben, über das man selbst nur allzu gut Bescheid weiß. Jedoch sind auch die typischen Gegenfragen wie „Was ist ein Kampfhund?“ nicht wirklich angebracht, denn es gibt eine genaue Definition dazu, die – völlig wertfrei betrachtet – auf viele Rassen auf der Liste zutrifft. Herkunft kann man nicht verleugnen. Der Stress um die Begrifflichkeit entstand also zwar aus verständlichen sozialen Gründen, ist jedoch rein technisch gesehen inkorrekt… Schwierig.
Mir persönlich ist die Begrifflichkeit, mit der die Leute meine Hunde ansprechen ehrlich gesagt völlig Wumpe, solange man uns als Individuen betrachtet und nicht über einen Kamm schert. Es gibt einfach genug Menschen, die sich nichts Böses denken und es wäre unangebracht, sich darüber aufzuregen, obwohl das Gegenüber vielleicht garkeine Ahnung von der Problematik hinter diesem Wort hat.
Besonders bei Lana und Maila, die nun einmal nicht aus einer bedachten Zucht stammen und tatsächlich irgendwo in ihrer „näheren Genetik“ Kämpferblut aus dem Ausland in sich haben könnten, sieht man eindeutig das Erbe der ursprünglichen Kampfhunde. Die Willensstärke, die Unverträglichkeit mit vielen Artgenossen, aber auch die unheimlich loyale Liebe zu ihrem Zweibeiner. Das alles steckt in allen Listenhunden, und auch wenn man der Vergangenheit unserer Rassen verständlicherweise nicht positiv gestimmt ist, sollte man sie nicht versuchen zu leugnen. Nehmen wir unsere Hunde doch einfach wie sie sind, egal wie man sie nun betiteln mag.