„Frauchen? Warum antwortest Du mir eigentlich nie?“
Wenn es eins gibt, das ich in den letzten Jahren im Umgang mit unseren Vierbeinern gelernt habe dann ist es der Fakt, dass richtige Kommunikation und Vertrauen das wertvollste im Training sind auf das es zwischen Mensch und Hund ankommt.
Leider denken jedoch immernoch viele Hundehalter, dass man als Hundebesitzer nur für das körperliche Wohl und ein wenig streicheln zuständig ist, die Leine hält, auf den Gassistrecken entscheidet wo es langgeht und dann – egal was kommt – stur weitergeht, auch wenn es Konflikte gibt. Aus menschlichen Gesichtspunkten scheint das erstmal völlig normal, denn wir selbst haben beim Spazierengehen eher selten tiefgreifende Probleme. Wenn man jedoch mal auf die feinen Nuancen in der Körpersprache unserer Vierbeiner achtet, eröffnet sich eine ganz andere Sichtweise die viel komplexer ist. Unsere Hunde stellen uns jeden Tag Fragen, wir müssen sie nur sehen…
Schau mir in die Augen!
Hunde sind eigentlich Lebewesen, die eher selten Blickkontakt suchen. In der Hundesprache zählt ein zu langes Zusammentreffen zweier Blicke eigentlich als Fixierung und wird somit als Drohung des Gegenübers angesehen. Wir Menschen hingegen sind für unsere Vierbeiner schwieriger zu lesen als ein Artgenosse, weshalb viele Hunde es dennoch „wagen“ einen kurzen Moment des Augenkontakts herzustellen. Vor allem dann, wenn sie gerade nicht wissen wie es weitergeht. Dieser kurze Moment, in dem sich zwei Blicke treffen ist für den Hund vermutlich sogar unangenehm, ebenso wie wenn wir jemandem in die Augen schauen der uns anstarrt. Dennoch ist es die einzige Chance, ein Feedback zu erhalten wie wir uns im Zweifel gerade fühlen.
So trägt es sich täglich zu, dass der Vierbeiner an einer Weggabelung, bei Hundesichtung oder wenn das rumpelnde Müllauto vorbeifährt kurz innehält und einen Blick zu Herrchen oder Frauchen wirft, um in ihrem Blick zu lesen was sie von der ganzen Sache halten. Rückantwort? Gibt es oftmals nicht. Die Frage und mit ihr dieser kurze Moment, diese halbe Sekunde wird von uns Menschen übersehen. Keiner reagiert, denn es wird gerade aufs Handy, die Ampel oder die Passanten geachtet. Wir Menschen gucken unentwegt Leute an, ein flüchtiger Blick ist oftmals ohne Bedeutung.
Der Hund kommt jedoch somit vom Regen in die Traufe. Er muss von nun an allein entscheiden, ob er auf Verdacht den rechten oder linken Weg entlanggeht und womöglich bei falscher Entscheidung weggezerrt wird, in Konfrontation mit dem vermeintlich gefährlichen Artgenossen geht oder panisch in die Leine rennt, weil das Müllauto so groß und laut ist. Niemand hat ihm auf die Frage, die in seinem Blick mitschwang geantwortet. Dabei bräuchte es nur ein „Hier lang“, ein „Alles gut“ oder eine beruhigende Berührung, um die gestellte Frage zu beantworten. Nichts kommt von seinem sich selbst in den Himmel lobenden Sozialpartner Mensch – immer wieder. Tag für Tag.
Irgendwann endet solch eine Kommunikation mit einem Gegenüber, welches nie antwortet im Leeren. Wer redet schon mit jemandem, von dem er weiß dass er nie eine Antwort oder Hilfestellung bekommt, wenn er sie braucht? Es ergibt keinen Sinn.
So beginnen viele Hunde dauerhaftes Fehlverhalten zu zeigen. Schlechte Reaktionen des Zweibeiners wie Bestrafung wenn das Verhalten schon am Laufen ist, tun dann ihr übriges zur Zerstörung des Vertrauens zum Menschen. Dabei schreien unsere Vierbeiner oft schon vor der Eskalation danach, dass sie Hilfe und Orientierung brauchen – es antwortet nur niemand.
Für viele souveräne und unproblematische Hunde, die grundsätzlich wenig Probleme mit ihrer Umwelt haben oder bei denen grundsätzlich auch Gutes in der Erziehung stattfand um das alles auszugleichen kann das tatsächlich ein Leben lang „gut“gehen – für die, die jedoch ein größeres Päckchen mitbringen, ist das Ganze fatal. Hat ein Vierbeiner so etwas schon von klein auf erlebt, ist er auch mit Herrchen und Frauchen an seiner Seite oft verloren in der Welt, wenn er Problemverhalten entwickelt. Wie ein Kind an der Bushaltestelle im Regen, das nicht abgeholt wird.
Selbst, wenn man im Nachhinein als Mensch wieder beginnt in der Kommunikation anzusetzen wird es schwierig. Der Hund hat bereits gelernt, dass er im Zweifel ganz alleine ist, wenn es brenzlig wird. Solch einen Fehler kann man gerade bei Problemhunden selten wieder komplett bereinigen.
Auch unser Gürkchen ist so ein Kind an der Bushaltestelle. Durch Training hat sie zwar begriffen, dass sie ein Feedback bekommt wenn sie in für sie schwierigen Momenten Blickkontakt herstellt und fragt was sie tun soll, jedoch wird sie niemals mehr so viel Vertrauen in ihren Menschen haben, wie ein Hund um den sich immer auch auf psychische Weise gekümmert wurde. In solchen Momenten ist sie auch nach 8 Jahren noch allein auf der Welt und kämpft gegen ihre eigenen Windmühlen. Und manchmal bricht es mir fast das Herz, das zu wissen.
Schaut doch heute beim Spaziergehen einmal mehr auf Eure Vierbeiner. Der fragende Blick oder das Ohr, das aufmerksam zu Euch nach hinten klappt wird kommen, ob an der Hausecke, beim unbekannten Passanten oder dem rascheln im Busch – die halbe Sekunde wird irgendwann da sein, in der Euer Hund kurz innehält und fragt. Ihr müsst es nur sehen.
Bemerkt ihr es, oder habt auch ihr ungewollt eine Bushaltestelle im Regen erschaffen?