Über Ruhe und Gelassenheit in der Hundeerziehung

In unserem Alltag sind wir oft verärgert, gestresst und unruhig von den Problemen des Tages, die uns belasten. Dass sich dies auch auf unsere Hunde auswirkt, merke ich leider zu oft. Hier also einmal ein paar Gedanken zu unseren Hunden und ihrem Verhalten. Oft spiegeln sie nämlich nur uns selbst wider und wir merken es nicht einmal.

Lea und ich treffen uns oft bei mir, um gemeinsam auf die Hundewiese zu fahren. Ich komme raus, lade die Hunde auf den Rücksitz und wir fahren los. Bereits zu dieser Zeit herrscht auf dem Rücksitz Hundeparty mit wildem hin- und herspringen, Schlabberküsse und Gewinsel von Lana. Sobald wir am Feld sind und aussteigen, springen Lana und Maila nach vorn auf die nun leeren Sitze und versuchen wie wild, sich an uns vorbeizuquetschen um als erster draußen zu sein. Wir sind unendlich genervt und versuchen permanent, dieses Verhalten zu unterbinden – doch Fehlanzeige. Niemand hört auf uns.

Ich denke so eine Situation ist jedem mit Hund bekannt. Der eigene Fellkumpel ist sehr unruhig oder nicht ansprechbar, weil er sein Ziel vor Augen hat. Manche machen das, wenn Herrchen oder Frauchen die Leine nehmen, es Futter gibt, ein anderer Hund in Sicht ist usw. Ich habe es immer mit schimpfen, festhalten usw versucht. Aber wieso bringt das auch nichts?

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In für uns entspannten Situationen sind oft auch unsere Hunde entspannt

Nun sollte man einmal kurz in sich hinein horchen und nachdenken. Wie fühle ich als Mensch in dieser Situation? Man ist meist genauso unruhig und unsicher wie der Hund. Wir wollen endlich Ruhe schaffen, aber wissen nicht wie. Man wird hektisch, laut und versucht solche Situationen zu umgehen. Genau diese Unsicherheit merkt der Hund, denn er versteht nicht was wir sagen, achtet aber stark auf die menschliche Körpersprache.

In der Hundewelt sind wir in solchen Situationen „schwach“. Unsichere Hunde sind ebenfalls hektisch und werden wenig Beachtung bekommen, solange sie sich so hibbelig, laut und unruhig verhalten. Oft sieht man in diesem Fall sogar, wie sie gemaßregelt werden. Denn jemand, der Beachtung möchte und das Zeug dazu hat, zu sagen wo es lang geht ist ruhig und konsequent. Er kann auch ohne viele Worte zeigen, was er will und so das Verhalten der anderen leiten.

Jetzt heißt es also tief durchatmen und eine 2-Sekunden-Meditation durchführen. Man sollte sich erst einmal überlegen welches Verhalten man sehen möchte und sich das damit verbundene Gefühl vor seinem inneren Auge vorstellen. In unserem Fall möchten wir, dass die Hunde hinten im Auto bleiben und auch nicht sofort herausspringen, wenn wir die Tür öffnen. Also bleiben wir nach dem anhalten kurz sitzen und geben ein einfaches Signal („bleiben“) solange die Hunde hinten sind. So wissen sie klar, was wir wollen und merken, dass wir es nicht eilig haben. Dieses Signal muss auch nicht zehnmal wiederholt werden, denn auch nach dem zehnten mal wird der Hund nicht darauf hören, wenn die Situation nicht stimmt.

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Maila gehört zu den Hunden, die sich leicht durch Hektik anstecken lassen

Jedes unerwünschte Verhalten hat nun die Folge, dass wir unsere Handlung verlangsamen – dh erst die Tür aufmachen, wenn alle Hunde dort sind wo wir es wollen und vor allem WIE wir es wollen. In unserem Fall ist das sitzend, ruhig zu Dritt auf dem Rücksitz. Erst dann wird die Tür geöffnet. Muckt einer auf, wird die Tür kommentarlos wieder geschlossen und wir beginnen erneut mit dem Warten.
Mit etwas Übung gelingt es nun, mit klaren Befehlen und ohne großen körperlichen Aufwand die Hunde daran zu hindern, herauszuspringen wenn man die Tür öffnet. Ich möchte jetzt keine Cesar Millan-Debatte auslösen, aber in diesem Fall würde er wohl sagen man muss „den Raum körperlich für sich beanspruchen“. Das klappt mit dem richtigen State-of-Mind ziemlich gut! Unsere 3 Chaoten akzeptieren so auch, dass sie nicht sofort hinaus dürfen, selbst wenn die Tür frei ist.
Mit diesen kleinen Änderungen konnten wir das Chaos besiegen.

Balkaa ist ebenfalls eine Hündin, die sich sehr leicht pushen lässt und dann völlig überdreht in ihrem eigenen Chaos endet. Sie drehte früher durch sobald man die Leine nahm, sprang freudig an einem hoch und begann in einer unheimlich schmerzhaften Tonlage zu quietschen und zu bellen. So ein Verhalten sollte man in dieser Situation ignorieren, um den Hund nicht noch mehr hochzuschaukeln und vor allem sich selbst nicht aufzuregen. So ein Verhalten ist nur am Anfang niedlich und endet – wie auch die Auto-Situation – ganz schnell darin, dass die Wut darüber, die man ausstrahlt negative Folgen fürs Training hat und der Hund noch mehr durchdreht. Ich habe solch einen Teufelskreis oft auf der Straße beobachten können, wenn Hunde bei Sichtkontakt zum Objekt ihrer Begierde durchdrehten, während die Besitzer sich ebenfalls völlig über das Verhalten des Hundes aufregten. Es ist zwar absolut menschlich, genau betrachtet aber nicht fair für den Hund von ihm Ruhe zu erwarten, wenn man sie selbst in dieser Situation nicht einmal bewahren kann.
In Balkaas Fall habe ich also einfach nur ruhig dagestanden und gewartet, bis sie mir eine andere Alternative anbot, als das Chaos. So eine Panik funktioniert nämlich selten ohne Komplizen, und so verstand sie ziemlich schnell dass sie mir etwas anderes bieten musste, damit es weitergeht. Jede Hektik des Hundes wird mit sofortigem anhalten „bestraft“, bis er wieder ruhig ist. Jede ruhige Handlung wird mit einem langsamen Vorankommen zum Ziel belohnt. So erzog sich Balkaa quasi (fast) selbst 😉 

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Oft versteht das der Hund recht schnell denn es entspricht seiner Art, Dinge zu begreifen. Also warum sind wir so unruhig? Als Hundemensch sollte man Zeit haben, ein paar Minuten Training in den Alltag einzubauen. In den meisten Fällen reicht es, diese Situationen ein paar mal zu üben. Immerhin sind unsere Vierbeiner nicht blöd – sie merken schnell mit welchem Verhalten sie weiterkommen. Ganz besonders toll ist es, irgendwann zu beobachten wie der Hund das erste mal ohne ein Wort die richtige Alternative anbietet. Das ist für mich der Reiz, den Hundetraining ausmacht – dieser Moment, in dem er signalisiert dass er verstanden hat und wir die Chance haben, ihn dafür zu belohnen.
Ich kenne allerdings auch „hyperaktive“ Hunde, die immer mal wieder diskutieren und Herrchen/Frauchen dauerhaft mit ihnen an der Ruhe arbeiten müssen – Balkaa ist so ein Hund. Auch das kann übrigens seinen Reiz haben, denn man lernt wie man selbst nach außen hin wirkt und wie man stimmungstechnisch auf andere abfärben kann. Außerdem bemerkt man auch als Mensch schnell wie gut es tut, sich die 2 Sekunden zu nehmen und sich seiner Selbst bewusst zu werden. Alles in allem ist das ein sehr spannendes Thema und man kann gerade mit anspruchsvollerem Hund hier sehr nah zusammenwachsen.

Mehr zu Balkaa und unserer gemeinsamen Arbeit an ihrer Aufregung lest ihr hier.