Vergesellschaftung mit Problemhund
***Anmerkung: Wir sind keine Trainer. Wir berichten hier lediglich über unseren Weg, mit begrenzt verträglichem Hund zu arbeiten. Das bedeutet jedoch nicht, dass es für jeden der richtige Weg sein muss. Wir haften nicht für die Fehler anderer! Seid ihr Euch unsicher, zieht lieber einen ausgebildeten Trainer zu Rate, der euch zur Seite steht!***
Die meisten Hundemenschen gehen mit ihrem Vierbeiner ihre gewohnten Runden, in Auslaufgebiete oder in die Stadt ein Eis essen. Der eigene Hund ist entspannt und freut sich über jeden neuen Spielgefährten, der ihn beschnüffelt. Ein kleines Spiel ist an jeder Ecke drin und man lernt immer neue Leute kennen. Schon Morgens freut man sich auf die Runde, denn es ist einfach wundervoll zu sehen, wie zufrieden der eigene Vierbeiner ist, wenn er Sozialkontakte pflegen kann und auch Frauchen/Herrchen jemanden für einen kurzen Plausch gefunden hat. Man kennt sich ja auch irgendwann.
Es sei denn…
Du hast einen Aggrohund oder eben so einen, der nicht besonders sozial Artgenossen gegenüber eingestellt wird. Dann mach dir bloß keine Hoffnungen. Du wirst zusammen mit deinem Vierbeiner nie wieder andere Hundemenschen aus der Nähe betrachten, geschweige denn ein Gespräch mit einem anderen Hundebesitzer führen können. Und wenn es doch einmal so sein sollte, wünschst du dir, es wäre nicht so 😉 denn dann kommen meist wüste Beschimpfungen oder die netten Herrschaften sind gerade dabei, ihren unangeleinten Vierbeiner von Deinem abzupflücken. Man wird also zwangsweise zum „Hunde-Einsiedler“. Am Besten man kehrt gleich um, wenn man einen anderen Menschen mit Hund sieht.
Doch manchmal in einem Aggro-Hundeleben gibt es eine dieser seltenen Chancen, einen neuen Sozialkontakt für seinen nicht so einfachen Vierbeiner dazuzugewinnen. Nämlich Freunde, die das alles schon wissen und trotzdem entschlossen sind, nicht das Handtuch zu werfen.. egal wie lange es dauert. Einer dieser Menschen war die liebe Katja, mit deren Hunden wir etwa 2 Jahre geübt haben, um die Sozialkompetenz der beiden Damen zu verbessern. Das Resultat war wunderbar. Klein Maila, die sonst immer nur ihr typisches Pöbelspiel vollzog, hatte auf einmal eine wunderbare Körpersprache und ein ruhiges Spiel mit Bonny entwickelt. Und auch Lana hasste schwarze große Hunde nicht mehr.
Und nun, vor etwa 2 Monaten hat sich für uns eine neue Chance ergeben. Denn: Klein Miley hat ihren Charme spielen lassen und einen guten Freund zu dem Entschluss kommen lassen, dass er sich auch einen Hund zulegen möchte 😉
Und dann kam Becks
Darf ich vorstellen, das ist Becks. Er wird demnächst ein Jahr alt und ist ein weißer Schäferhund-Labrador Mix. Von nun an wird er hier vermutlich des Öfteren nebenbei auftauchen, ebenso wie es bei Balkaa der Fall ist. Genaugenommen sind wir mittlerweile schon lange nicht mehr Hundhoch3, sondern Hundhoch5 😉 Jedenfalls ist Becks ein sehr hübscher junger Rüde, mit dem wir eine Zusammenführung gewagt haben. Drei Hunde, die sich innerhalb des Freundeskreises gegenseitig an die Gurgel wollen, sind eben nicht so cool. Und so nahmen wir es bei der ersten Gelegenheit gleich in Angriff.
Mittlerweile sind wir sehr gefasst, wenn es um Zusammenführungen geht. In den letzten 5 Jahren, die die Mädels auf dieser Erde wandeln hatten wir unzählige Treffen und konnten so lernen, was bei unseren Hunden gut klappt und was gefährlich werden kann. Es gibt also einige grundlegende Dinge die wir beachten müssen, um ein gutes Miteinander zu erreichen. Kleiner Hinweis an dieser Stelle: Es geht hier nicht um Kuschelhunde, die man einfach zusammen von der Leine lassen kann und dann lieben sie sich nur wegen einer bösen bösen Leinenaggression, die ihnen im Weg stand. Es geht um Hunde, die im Doppelpack wirklich Kurzschlussreaktionen zeigen können und ohne Mauli und Leine niemals zu zweit auf Fremde Hunde treffen sollten.
Absicherung: Der wohl wichtigste Punkt bei den Treffen ist die Absicherung von Hunden und Haltern. Es muss immer sichergestellt sein, dass niemand zu Schaden kommt. Deshalb sind unsere Hunde bei den ersten Treffen IMMER angeleint. Im Freilauf bräuchte es eine halbe Sekunde, bis es eskaliert und sie sich für immer hassen würden. Hinzu kommt natürlich der Maulkorb, den zumindest der problematischere Hund tragen sollte, besser jedoch alle, falls es mal zu „Gemeinschaftstaten“ kommt. Frauchen oder Herrchen müssen unbedingt festes Schuhwerk tragen und einen sicheren Stand aufweisen.
Ruhe bewahren: Ruhe und Gelassenheit ist das A und O, wenn man einen eh schon aufgeregten Hund an der Leine hat. Lässt man sich in solch einer Situation anstecken, putscht man den Vierbeiner ggf. noch zusätzlich auf.
Zeit: Wenn man einen eher unsozialen Hund vergesellschaften möchte, dauert es. Und zwar in manchen Fällen lange. Bei den Mädels kann es mitunter je nach Hund Monate dauern, bis sie ihn in allen Situationen mögen und sich entschieden haben, wer wo seinen Platz hat.
Der richtige Ort: Liest man so manche Facebookposts, kriegt man Plaque, was den Ort einer Zusammenführung angeht. Es ist dringend darauf zu achten, dass es zumindest ein relativ neutraler Boden ist, auf dem man sich trifft. Man kann nicht einfach einen fremden Hund ins eigene Wohnzimmer stellen und erwarten, dass das funktioniert. Wir haben uns in diesem Fall auf einer Strecke getroffen, die aus dem Revier der Damen herausführte und an unbekanntes Terrain grenzt. Hier sind vor allem die Chancen für beide Parteien gleich und Revieraggressive Hunde schmieren hier ggf ein wenig kleinere Brötchen 😉
Wenn es zum Treffen kommt, sprechen wir vorher genau über die Strecke und den Ablauf. Mit einem Hund, der nicht so scharf auf Sozialkontakte ist, besteht sonst ggf in den ersten Minuten durch den gebührenden Abstand keine Chance, sich auszutauschen. Es ist dringend zu vermeiden, dass sich die Hunde gleich zu Beginn bedrängt fühlen und ausrasten. Das Könnte ansonsten nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Sympathie zum Fremdhund haben.
Deshalb hat Balkaas Herrchen Becks übernommen und wartete am vereinbarten Treffpunkt. Sobald er uns in Sichtweite hatte, ging er einfach den abgesprochenen Weg los. Frauchen mit den beiden Dämlichkeiten im Schlepptau folgte in etwa 100m Abstand lässig schlendernd als wenn nichts wäre. Über den nächsten Kilometer hinweg verringerten wir den Abstand zwischen uns genau so viel, dass Maila – die sonst den „Startschuss“ zum pöbeln setzt – zwar aufgeregt war aber dennoch nicht eskalierte. Wurde der Abstand zu gering, gab es eine kurze Pause und ein paar Meter Abstand mehr. Wenn man diese Methode nutzen will kann man sich auch abwechseln, und sozusagen „Plätze tauschen“. Das ist besonders gut, wenn man einen Hund hat, der bei Artgenossensichtung konstant an der Leine zerrt. Der, der vorläuft hat es unserer Erfahrung nach Kräftemäßig leichter als der, dessen Hund immer die anderen im Blickfeld hat. Lana und Maila sind deutlich einfacher zu führen, wenn sie vorgehen, und so haben wir auf der Hälfte der Strecke auch einmal die Plätze getauscht. Natürlich ebenfalls in gebührendem Abstand.
Nach etwa 30 Minuten konnten wir in 3m Abstand voneinander nebeneinander her laufen. Ehrlich gesagt hatten wir damit nicht gerechnet und waren davon ausgegangen, dass wir mehrere Treffen brauchen würden, bis die drei sich überhaupt von Weitem beschnuppern konnten. Aber scheinbar hatten wir einen guten Tag erwischt und es wurde im Laufe des Gassigangs so gut, dass sie sich beschnuppern konnten und sogar die ersten Spielaufforderungen machten. Selbst Lana, die so etwas nie beim ersten Treffen gemacht hatte, war sehr angetan von Becks. Aber von so einem wunderschönen, gefassten Rüden mit seinen hübschen weißen Wimpern war sie scheinbar so angetan, dass wir den Gassigang positiv und vor allem reibungslos über die Bühne bringen konnten. Auch die folgenden Treffen liefen ähnlich gut ab, nachdem sich die anfängliche Aufregung gelegt hatte.
Ein paar Probleme gibt es natürlich noch. In den letzten Jahren und dem Training mit Bonny ist deutlich geworden, dass Lana es nicht besonders klasse findet, wenn Frauchen einen anderen Hund streichelt. Deshalb achteten wir von Beginn an darauf, dass Lana weggeschickt wird, wenn ich Becks streichle. Auch das wird sich hoffentlich noch legen. Ebenso wie die kleinen Anfälle, wenn Becks in Sichtweite kommt und Lanas Verhalten innerhalb der Wohnung, wenn Becks ihren Plätzen zu nahe kommt. Wir werden weiter üben und euch natürlich berichten, wie sich das Ganze entwickelt. Sobald sich die drei an der Leine ausnahmslos verstehen, werden wir vielleicht auch irgendwann in einer gesicherten Umgebung die Leinen lösen können.
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Wie führt ihr die ersten Kennenlern-Treffen mit euren Hunden durch? Sind sie problemlos oder auch gelegentlich etwas schwierig mit Artgenossen? Wir freuen uns auch Eure Geschichten 🙂