Von Alter und Sportlichkeit
Lana hat heute einen guten Tag – sie schlurft nicht wie sonst hinter Frauchen her und lässt sich ziehen, Nein. Sie läuft etwa einen Meter weiter vorn, genau neben Frauchens Bein. Für ihre Verhältnisse ist das praktisch ein Sprint. Heute ist ein guter Tag…
Innerhalb der letzten Tage ist mir etwas sehr bewusst geworden. Es ist ein schwieriges Thema, und ich weiß garnicht genau wie ich es anschneiden soll. Es geht um die Alterung der eigenen Vierbeiner… jedoch nicht darum, wie es ist wenn das Schnäuzchen grau wird, sondern um eine ganz andere Komponente, die ich bei der Anschaffung der beiden Damen irgendwie garnicht bedacht hatte – immerhin waren wir dort alle noch ziemlich jung und die beiden Mädels gleichalt. Heute weiß ich, dass das für mich keine gute Kombi ist.
Ich liebe meine Hunde. Wirklich, absolut egal wie arschig sie manchmal sein mögen oder wieviel sie mich gekostet haben.. Was mir jedoch etwas bedeutet, ist die Qualität der Zeit die ich mit ihnen verbringe.
Als Maila einzog, war ich schon etwa ein halbes Jahr Hundebesitzerin. Die beiden Damen waren hellauf begeistert von ihrer Außenwelt, liebten es draußen alles zu erkunden und zu entdecken. Jeden Morgen aufs Neue stand klein Miley freudestrahlend vor meinem Bett und wartete auf das, was ich ihr heute als Beschäftigung bieten würde: Immer her damit! Manchmal war sie so agil, dass es nicht einmal reichte sie 2 Stunden lang draußen mit Ballspielen und ihren Hundefreunden zu bespaßen. Ich hatte körperlich alle Hände voll zu tun, um mit ihr mitzuhalten. Immerhin schaffte ich es zu Beginn nicht einmal, 3Km durch den Park zu laufen. Als Teenager, dem ein Hund verboten worden war und der keinen Grund hatte, sich sportlich zu betätigen ist das nicht selten so. Auch wenn ich früher schon schlank war, hatte ich in Sport immer höchstens eine 3 – viel Grundsubstanz war also nicht gebeben. Mit Maila begann ich nach und nach, das aufzuholen und sportlicher zu werden, sogar richtige Freude an Bewegung zu entwickeln. Mit den Jahren wurde ich zu einem Menschen, dem gesagt wird er soll doch mal ein wenig langsamer gehen, niemand anders kommt hinterher.
Heute ist das alles anders. Ich wache auf und die kleine alte Dame liegt neben mich gekuschelt mit im Bett. Auch Lana schnarcht und schmatzt noch gemütlich neben mir, eingerollt wie ein kleiner dicker Igel. Stehe ich auf, gibt es noch diesen einen Moment an Freude und Abenteuerlust in Mailas Augen… jedoch ist dieser Moment deutlich kürzer als er es früher war.
Unsere zwei Damen werden im Sommer 8 Jahre alt. Während ich quasi mit Hund sportlich geworden bin und nun mit 26 körperlich gefühlt in der Blüte meines Lebens stehe, haben die Damen mit mir gemeinsam aufgrund des Alters ab- statt aufgebaut, seit sie die 4 Jahresgrenze überschritten haben. Wir sind nun an einem Punkt angekommen, an dem unser Bewegungsdrang nicht mehr zueinanderpasst und an dem ich mir manchmal so viel mehr wünsche – die Damen aber nicht mehr mithalten können. Ich kann nicht sagen dass ich mich als Hundesportler betiteln würde, aber ich besitze im Moment einfach deutlich mehr Wissen darüber, was mit den beiden sportlich möglich gewesen wäre und habe Durst nach mehr. Und es ist unheimlich schade, dass wir nun durch das Alter und die Gebrechen nur noch gediegen in verschiedene Sportarten schnuppern können. Bei vielen weiß ich schon von vornherein, dass es schwer wird die beiden Sofakissen überhaupt noch auf so eine Trieblage zu bringen, dass sie sich dafür anstrengen.
Normale Menschen, die in der Hundehaltung den Wunsch nach mehr entwickeln und vielleicht auch den eigenen älteren Vierbeinern etwas Ruhe gönnen wollen, schaffen sich vermutlich zu diesem Zeitpunkt einen weiteren Hund an. Auch ich hätte gern einen jungen, agilen Hund. Vielleicht wieder einen Terrier, Molosser oder eine Mischung daraus. Durch die finanzielle Belastung und die Unverträglichkeit der beiden Damen wird dies jedoch realistisch gesehen erst gehen, wenn die zwei oder zumindest eine der beiden nicht mehr auf dieser Erde weilen – so traurig es auch ist. Und so fühle ich mich derzeit ein wenig gefangen in dieser Zwickmühle aus dem Willen, mit meinen Vierbeinern eine wunderbare Zeit zu erleben und einen neuen schönen Sommer gemeinsam genießen zu können, jedoch ganz andere Ansprüche zu haben als sie es tun. Ich will mit Hund joggen, schwimmen, Radfahren, Zughundearbeit ausprobieren, im Dummytraining vorankommen – alles Dinge, die sie vermutlich nicht mehr so genießen wie ich. Ich kann froh sein, wenn Lana an einem guten Tag im Freilauf mal 50m rennt, bevor sie wieder 2 Meter hinter mir herdackelt und hofft, dass dieses ganze „Laufen“ endlich ein Ende hat.
Natürlich soll das nicht bedeuten, dass ich die Zeit nicht trotzdem genieße, aber es ist einfach das Gefühl da dass etwas fehlt. Ich hatte nie damit gerechnet, dass ich in meiner Hundekarriere einmal SO einen Kompromiss machen müsste. Doch vielleicht habe ich einen Ausweg gefunden…
An einem kalten Wintermorgen beschloss ich, statt mir beim joggen halb den Arm zu brechen weil meine beiden Damen zu langsam hinterhertingeln, einfach Balkaa zu schnappen und mit ihr zu laufen. Ganz Bordercollie ist sie als ältere trotz allem noch deutlich agiler und hibbeliger, als es Lana und Maila je waren.
Es stellte sich heraus, dass sie als der Hund meines Partners für mich der perfekte Jogger-Hund ist und wir im gleichen Tempo ziemlich gut harmonieren. Zum ersten mal tun wir uns beide scheinbar ganz gut und ich lerne gerade zu schätzen, wie toll es ist einen Vierbeiner an meiner Seite zu haben der nicht nur ein absoluter Allrounder ist, sondern auch mit Herzblut bei der Sache – völlig egal was Frauchen vorhat. Natürlich ist auch das nicht absolut perfekt, denn auch Balkaa wird schon 11 und hat derweil absolut keine Muskulatur und Kondition für diese Sportarten, jedoch habe ich mich entschieden gezielt mit ihr daran zu arbeiten. Vielleicht schaffen es die drei Damen ja gemeinsam, Frauchen auszulasten 😉
Trotz allem ist es also noch immer schwierig. Aber: Die Arbeit mit Balkaa sorgt dafür, dass ich mittlerweile manchmal wieder Momente habe, in denen ich die Langsamkeit und das Alter meiner beiden Häsinnen genießen kann. Dann gibt es nichts schöneres als nach dem Training mit ihnen entspannt durch die Sonne zu schlendern – in einem Tempo, in dem uns fast die Schnecken überholen, wir aber dennoch alle gemeinsam den Moment genießen können.