„Muss es solche Hunde geben?“
„Muss es solche Hunde geben, bei denen der Maulkorb „lebensrettend“ ist?“
Diese Frage wurde unter einem meiner letzten Facebookposts gestellt. Zwar nicht an mich, sondern scheinbar in fremde Hundegruppen um dort ohne die betroffene Person zu diskutieren, aber ich möchte trotzdem gern dazu etwas sagen.
Gewiss muss es solche Hunde nicht geben. Keiner will einen Hund, der andere zum fressen gern hat. In unserer Gesellschaft und vor allem der Bevölkerungsdichte ist man mit Schnappi nicht gern gesehen und ehrlich gesagt ist es auch sehr mühsam so durchs Leben zu kommen. Man muss sich selbst einschränken, vielleicht bei sich selbst auch einen Teil der Schuld am Verhalten suchen, dran arbeiten, sein Tier einschränken und immer gucken was man macht. Es nimmt einem eine gewisse Leichtigkeit, die Verantwortung für ein Tier zu haben das andere tatsächlich verletzen könnte. Da ist nichts mehr mit Freilauf, nichts mehr mit mal eben mit in die Zoohandlung nehmen, und nichts mehr mit im Sommer gemeinsam am Baggersee die Füße ins Wasser halten. Es ist zu gefährlich. Die meisten suchen sich das nicht aus und stellen sich eine Hundehaltung so auch nicht vor. Der Sinn geht verloren, wenn es keinen Spaß mehr macht.
Wir möchten – und das ist absolut menschlich – unsere Hunde nicht als Tiere sehen, die auch mal ganz unmenschlich ihre Interessen durchsetzen. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: unverträgliche Hunde sind näher an der Wirklichkeit, als es der nette Labrador ist. Aggression wird jedem Lebewesen von Geburt an mitgegeben. Welches Raubtier duldet in seinem Revier Konkurrenten? Nicht einmal unsere süßen Stubentiger tun das ohne weiteres.
Viel lieber sehen wir es, wenn die Pitbulls auf Insta, Facebook und überhaupt im Internet Pjyamas in pink mit kleinen Entchen drauf tragen und Nanny Dogs genannt werden, auch wenn sich bestimmte Linien schon mit 8 Wochen in der Wurfbox im Fell hängen und sich blutig beißen. Es wird geleugnet, dass man gerade bei Hunden mit Potenzial auf Blutlinien achten sollte und zu einem seriösen Züchter gehen muss. Ein Hund des Pitbull-Typs – ursprünglich zum kämpfen gezüchtet – darf seine Genetik nicht zeigen, es gibt sie in den Augen vieler „Rasseliebhaber“ nicht einmal. Bei Hütehunden, Jagdhunden oder Begleithunden wird das aber plötzlich als glasklar angesehen. Logisch, dass ein Jagdhund jagt, oder?
Es muss solche Maulkorbhunde nicht geben, niemand braucht sie. Und doch sind sie da. Und wir Menschen sind absolut schuld daran.
Wir möchten grundsätzlich besser als die anderen sein. Deshalb muss es ein armer Auslandshund sein, der sich später als Herdenschutzhund herausstellt. Haben wir ihn erst einmal „gerettet“ und er beginnt den Besuch zu fressen oder keinen mehr reinzulassen, muss er weg – sofort.
Oder wir kaufen einfach einen 6 Wochen alten „Blueline“ unbekannten Ursprungs vom Polenmarkt für 200€ und wundern uns wieso der mit zwei Jahren nicht mehr nett ist. Ist sogar noch cooler, weil man dann noch ein krasserer Typ ist mit seinem tobenden Kampfhund an der Leine.
Wir wollen einen Pitbull, ohne überhaupt zu wissen wie ein echter aussieht um ihn dann als Boxermix anzumelden, weil alle anderen eh zu blöd sind um es zu merken.
Wir wollen den hübschesten French Bully in Merle, aber für keine gesundheitlichen Probleme bezahlen wenn er fast erstickt oder ihm plötzlich eins seiner Glubschaugen rausfällt.
Wir wollen einen Husky mit blauen Augen, aber lieber unsere Serie zuende gucken statt Sport zu treiben.
Wir wollen quirlige kleine Terrier, aber wehe der Hund beginnt draußen jedes Blatt anzukläffen weil er nicht beschäftigt wird. Wer konnte das ahnen? Blödes Vieh. Weg damit.
Das alles ist unsere Schuld, und es ist eine Schande diesen Lebewesen die bei uns aus welchen Gründen auch immer eine Auffälligkeit entwickeln per se die Daseinsberechtigung abzusprechen, nur weil sie „nicht in die Gesellschaft passen“. Wir haben sie alle so gemacht. Und das, obwohl es bei vielen nur einen Zaun ums Gesicht oder die Wiese braucht, um andere vor Schäden zu bewahren. Selbst das ist uns zu viel Arbeit oder Intelligenzleistung, um das zu kapieren. Der arme bissige Dogo Argentino, das sieht doch nicht schön aus. Wie können wir da ein anderes Ergebnis erwarten, wenn nicht einmal das verstanden wird?
Es ist ein Wunder, dass so wenige Hunde ernstzunehmend aggressiv sind bei dem was sie aushalten müssen, um in unserer Gesellschaft noch in die Schublade „normal“ zu passen.
Neben den Problemen die diese speziellen Hunde mit sich bringen und für die sie nichts können, sind doch viele in 95% der Zeit ganz normale Hunde. Fremde sehen nur das in die Leine springen, das knurren und den Maulkorb. Das geht so nicht, muss verboten werden, gemeldet werden, Tierquälerei.
Dass Monsieur Schnuff Abends noch mit Frauchen ne Banane snackt weil er die am Liebsten mag und dann wartet, bis sie die Bettdecke hebt um sich drunter zu kuscheln, sieht keiner. Oder dass sie vor Freude durchs ganze Haus flitzen, wenn Herrchen nachhause kommt. Dass sie sich fest an Dich drücken, wenn sie Angst haben oder Schmerz spüren. Was soll man mit diesen Hunden machen? Einschläfern, nur weil sie in einem Punkt nicht perfekt reagieren? Wegsperren? Warum? Es gibt keinen Grund, solange es diesen einen Menschen gibt der auf sie aufpasst. Gerade sie haben eine Chance verdient, denn sie sind so oft missverstanden worden, von Leuten die genau die oben genannte Frage stellen. Denn sie reagieren genau richtig und so, wie es Tiere eben tun.
Die meisten Probleme in der Hundewelt sind hausgemacht. Sei es durch Erziehung, Umwelt oder Genetik. Letztendlich ist es egal. Geht man damit vernünftig um, können wir trotzdem alle gut leben. Dazu braucht es aber Vernunft und vielleicht manchmal auch etwas Respekt und Verständnis auf allen Seiten, nicht nur auf einer.