Die Schlafenden

Wenn um Dich herum alles schläft…

…und es nicht Nacht ist.

Hat man einen Vierbeiner der nicht ganz so nett ist, beginnt man zunehmend zu bemerken, wie einfach einige Menschen gestrickt sind wenn es um ihre Tiere geht. Was mir in diesem Zusammenhang leider immer mehr auffällt sind Leute die Hunde besitzen, aber garkein Auge haben für das haben, was sie da tun. Der Vierbeiner ist zwar da, aber wirkliches Interesse hat man nicht. Er läuft einfach nur mit und ist „vorhanden“, Training oder gar ein Bewusstsein für mögliche Probleme die bestehen ist nicht vorhanden. Sie werden höchstens ignoriert.

Da wird beim Gassigehen lustig am Handy herumgetippselt und lauthals telefoniert, während der Yorkie sich zum fünften mal in der Leine verheddert hat und mittlerweile aussieht wie das Opfer von Tarantula – es fällt erst auf, als er nicht mehr weiterlaufen kann. Da wird der unausgeglichene Jack Russell Terrier, der den gesamten Spaziergang hindurch am laufenden Band bellt, morgens um 5 an seiner Flexi laufen gelassen, ohne sich auch nur Gedanken zu machen dass nun alle im Umkreis von 200m nun durch ihn wach sind. Der bissige Chihuahua wird an alle Passanten gelassen, nur damit er von hinten versucht sie in die Fuße zu beißen. Der Besitzer steht derweil nur da und sieht noch interessiert dabei zu, wie es jedes mal aufs Neue passiert. Da wird in einer dicht besiedelten Region in der Leinenpflicht herrscht, die Haustür aufgerissen und der Hund sprintet ohne Leine als erster aus der Haustür. Dagegen etwas tun? Warum sollte man? Die anderen müssen halt damit klarkommen! Dabei ist es in der Hundehaltung ganz besonders wichtig, nicht nur einen respektvollen Umgang untereinander zu pflegen, sondern auch auf das Wohl des eigenen Tieres zu achten, das man mit in die Gesellschaft bringt. Immerhin müssen auch andere damit irgendwie leben. Und die, die versuchen alles richtig zu machen, kommen im Zweifel unter die Räder.


Besonders beim Thema Hund kommt es also wie bei kaum einem anderen Haustier (außer vielleicht bei Pferden) elementar darauf an, sich und seine Umwelt optimal zu schützen und auch mal mitzudenken – immerhin führen wir Lebewesen, die ziemlich nette Zähnchen haben und diese im Notfall auch einsetzen können – völlig egal ob Teacup-Chihuahua oder Bulldogge. Jedoch ist vielen Leuten mit Hund völlig unklar, dass sie sich gerade in alltäglichen Situationen in ziemlichen Bockmist manövrieren und eigentlich wissen müssten, dass es keine gute Idee ist jetzt stur weiterzugehen, genau da stehenzubleiben oder ausgerechnet jetzt loszurennen wie ein Verrückter.
Ich begann vor einer Weile, solche Hundebesitzer als „Die Schlafenden“ zu bezeichnen, denn genau das tun sie, statt auf wichtige Dinge in ihrer Umwelt zu achten und mitzudenken. Sie nehmen den Part des Beobachters ein, wie Roboter die selbst nicht abwägen können und nur stur ihren Weg verfolgen, komme was wolle. Die Weitsicht fehlt, und es ist schwer das als einzelner Hundebesitzer auszugleichen wenn man irgendwann nur noch „Schlafende“ um sich hat. Besonders dann, wenn man dazu auch noch einen Vierbeiner bei sich hat, der sich nicht so viel gefallen lässt und auch keine Gefangenen macht, wenn sich die Wege einmal kreuzen sollten.

Natürlich schläft jeder mal – man kann nicht immer perfekt aufmerksam sein, dafür sind wir Menschen. Um solche Situationen die jedem mal passieren, soll es hier aber nicht gehen. Denn wenn man ständig blindlings in sein Verderben läuft, sollte man vielleicht doch kurz mal inne halten.

Mir ist dabei natürlich völlig bewusst, dass ich diejenige bin die Sorge zu tragen hat dass meinen und anderen Hunden nichts passiert – immerhin hab ich das an der Leine was gegebenenfalls schreddert – aber manchmal wird man so derbe von den „Schläfern“ in die Enge getrieben, dass es schwer ist nicht genau so wie die eigenen Höllenhunde auszuflippen. Und ich bin normalerweise ein wirklich netter Mensch und löffle bis zum Letzten mein eigenes Süppchen aus! Ich nehme deshalb IMMER Rücksicht, weiche aus wo ich kann und denke, dass das auch in unseren Beispielen mehr als deutlich wird. In den meisten normalen Situationen auf unseren Gassistrecken würde ich garnicht auf die Idee kommen, von jemandem etwas zu fordern. Manchmal geht es aber nunmal nicht anders, und mit einem Hauch von Rücksicht sollten auch solche Situationen für alle stressfrei zu lösen sein.

Begleitet mich also in ein paar Situationen mit Aggro-Hund an der Leine, um zu verstehen was es bedeutet, solch einen Hund völlig allein vor allem sichern zu müssen, was da kommen mag und auch noch simultan dazu zu versuchen, dem Tierchen beizubringen dass die Umwelt nett ist. Ein paar Beispiele folgen – alle genau so erlebt.

Der Raser
Ich laufe mit Lana an einem kleinen Bach entlang. Sie ist wie immer angeleint mit Mauli unterwegs. Ich schaue egal wo ich laufe regelmäßig um mich, damit ich mögliche Fremdhunde oder andere Kamikaze-Tiere schnell sehe und ein paar Meter ausweichen kann um mit ihr zu trainieren. So auch heute – zum Glück!
Als ich mich umdrehe, kann ich nicht glauben was da auf dem engen Weg auf mich zugerast kommt: ein Radfahrer (scheinbar ohne Klingel) mit einem Schäferhundmix in gestrecktem Galopp! Als ich ihn sehe, ist er bereits 15m hinter mir. Er ist so schnell, dass sein Hund rennt als ginge es um sein Leben und nichtmal der fette Torpedo am anderen Ende meiner eigenen Leine hat ihn bisher bemerkt. Die einzige Chance, dass die Hunde nicht in einer Sekunde kollidieren ist, einen Satz zur Seite zu machen, Lana hinterherzuziehen und sie gut festzuhalten. Noch heute bin ich überrascht von meiner eigenen Reaktionszeit in diesem Moment.
Was bleibt ist ein halber Herzinfarkt bei Frauchen und eine Lana, die völlig außer sich ist. Training Adé!

Der Gaffer
Lana, Maila und ich laufen auf einem uns bekannten Weg durch unser Wohngebiet. Es ist schönes Wetter, die beiden Damen benehmen sich heute ausgesprochen super und wir haben große Fortschritte gemacht. Erst vor ein paar Minuten sind sie – natürlich brav orientiert an mir – an 3 Hunden vorbeigelaufen, die etwa 20m entfernt waren. Sogar 2 von links und noch einer auf der rechten Seite des Weges! Ich bin stolz, habe gute Laune und bin tiefenentspannt.
Nun kommen wir an einen Teil des Weges, der nicht besser für unser Training sein könnte. Es gibt 2 parallele Gehwege, dazwischen etwa 10-15m Rasenfläche. Von Weitem sehe ich auf dem anderen Gehweg einen Mann mit mittelgroßem Mix an der Flexi – kein Problem, die Distanz der Rasenfläche reicht! Wir laufen weiter, in Reih und Glied, alles scheint gut zu laufen. Bis…
…Der Mann beschließt, seinen mittlerweile imponierenden Hund die Flexi komplett in unsere Richtung ausrollen zu lassen, als wir auf gleicher Höhe sind. Zum Glück ist neben mir ein kleiner Seitenweg, denn der Hund steht keine 10m mehr von uns weg, fixiert und bellt. Ich gehe also ein paar Meter den Seitenweg neben mir hinein, aber die Distanz ist bereits unterschritten und die Damen schon lange „Out Of Space“. Es ist schwer, sie wieder auf mich zu fokussieren, denn der Herr kommt garnicht auf die Idee, weiterzugehen. Stattdessen steht er weiterhin da, mit seinem Flexi-Hund und gafft ihn dabei an, wie er weiterhin prollt. Die Leine wickelt sich um einen Baum, der im Weg steht. Einige Sekunden lang bemerkt er es nicht einmal, bis er schließlich beginnt seinen Hund und sich zu entwirren und von Dannen zu ziehen, als dieser endlich seine Fixierung löst und nach vorn in die Leine springt.

Nur Spielen!
Die beiden Pelzdamen haben einen guten Moment und spielen mit Benji auf unserer Wiese. Hier können die Frauchens weit sehen, das Gebiet ist riesig und die bemaulkorbten Damen haben ordentlich Spaß. Es ist ihre kleine „Freiheit“, die sie hier ausleben dürfen. Sie buddeln, schnüffeln und geben Benji Sabberküsse. Lana und Maila sind angeleint, denn aus etwa 150m nähern sich Menschen mit Hund – nichts ungewöhnliches oder schlimmes… bis jetzt. Immerhin haben wir sie gesehen und sind bereits weiträumig ausgewichen – Platz ist ja genug.
Schon von Weitem wird jedoch ersichtlich, dass von den mindestens 3 Hunden alle unangeleint sind und mindestens einer bereits im Jagdmodus ist. Er zieht weite Kreise um die Traube an Besitzern, die den Hunden folgt und quatscht. Allerdings findet er scheinbar nichts zum hetzen und dreht ab – genau auf uns zu. Während ich also mittlerweile meiner Meinung nach deutlich zu genau sehe, dass es ein Setter sein könnte der sich nähert, stehen die Leute da, gaffen und rufen einmal halbherzig. Den Setter interessiert das wenig.
Meine Füße sind nun in den Boden gerammt und ich versuche den State-Of-Mind vom Hulk anzunehmen, denn die zwei Damen mit ihren gemeinschaftlich 55Kilo rasten aus, als der schwarze Blitz direkt vor ihnen steht und Spielavancen gegenüber ihnen und Benji macht. Der versucht mittlerweile ebenso dem Setter zu zeigen, dass seine Girls nur für ihn am Start sind und ist nicht wirklich erfreut. Nach etwa einer Minute um-uns-herumgehüpfe beschließt der übernette Plüschköter dann endlich, dass er heute doch nicht zerhackstückelt werden will und begibt sich kurz zurück zu seinen Besitzern, die ihn natürlich statt anzuleinen wieder auf die Jagd schicken – Nasenarbeit ist doch ne tolle Auslastung. Wir bleiben wieder einmal fassungslos zurück. Ich bin schweißgebadet, fertig mit den Nerven und habe Bungee-Arme. Dennoch lief diese Situation mit Freilauf-Hund „besser“ als die letzte mit Labrador Spencer, der mich in den Schlamm befördert hatte. Ich bin stolz den Selbstmord-Setter gerettet zu haben und froh, es diesmal überstanden zu haben ohne mir die Haut an den Händen abgezogen zu haben.

Die Verfolger
Ich komme nach dem Dummytraining von unserer Wiese wieder zu Fuß in die belebtere Wohngegend, an eine Hauptstraße mit Kreuzung. Schon aus 100m Entfernung sehe ich, dass zwei ältere Damen an der Kreuzung auf unserer Seite stehen und reden, und laufe langsamer. Eine der beiden Damen hat einen übergewichtigen mittelgroßen Mix dabei, den sie erst anleint als unsere Hunde nur noch eine Straßenseite trennt. Vorher hat sie uns garnicht wahrgenommen – das Gespräch war wohl zu spannend. Der dicke, nun angeleinte Hund schaut aufmerksam zu uns herüber und setzt sich. Die Frauen reden weiter – „Kein Problem“ denke ich und mache mich auf, die Straße zu überqueren um die beiden in Ruhe reden zu lassen und sie entspannt als Trainingsobjekte zu nutzen. Immerhin zeigt Miley dem anderen Vierbeiner bereits, wie die Totenstarre funktioniert und benimmt sich wie ein Klotz an der Leine. Mit ein wenig Ablenkung hole ich sie aus ihrer Fixierung heraus und will gerade die Straße überqueren, als die beiden Frauen anfangen in meine Richtung zu laufen. Ich kann sie nur noch demonstrativ anstarren, den Kopf schütteln und begebe mich nun auf dem Weg weiter zurück, bis ich zwischen zwei LKW’s über die Hauptstraße huschen kann. Aber: der Kampf ist noch nicht vorbei! Die zwei Damen haben nun beschlossen, mir fröhlich gaffend wieder den Weg abzuschneiden und kommen ebenfalls über die Straße. Nun stehen sie wieder auf meiner Seite! Ich warte in gebührendem Abstand von etwa 25m darauf, dass sie weitergehen… Aber ich ernte nur Seitenblicke und weitere Quasseleinheiten. Ob die denken dass ich immer einfach so knapp die Straßenseite wechsel ohne dabei Ampeln zu benutzen, 15m von Leuten entfernt stehenbleibe, sie anstarre, meine Maulkorbhunde dabei füttere und auf den Bus warte ohne dass eine Haltestelle in Sicht wäre? Ich weiß es nicht und beschließe nach 2 Minuten, Lana und Maila kurz zu nehmen und hinter den Autos an ihnen vorbeizuschleichen. Es klappt gerade so ohne Ausraster, denn uns trennen nur 10m.

Frontalzusammentreff
Auf dem Ende meines Heimweges bin ich nun froh, die beiden Schlafenden hinter uns gebracht zu haben und langsam wieder frohen Mutes. Ich laufe nun durch eine Gartensparte mit einem engen Weg von etwa 1,5m Breite. Auf etwa der Hälfte der Strecke wird er durch eine normal breite Straße und ein paar Häuser in zwei Teile getrennt. Von vorn sehe ich nun einen Herrn mit Husky, der schon ein Stück näher an der Mitte des Weges ist als ich. Sein Husky sieht Lana und Maila und fixiert schon von Weitem, seine Rute trägt er mittlerweile weit über dem Rücken. „Gut“ denke ich, „Der Besitzer hat scheinbar auch keinen so netten Hund und hat das im Griff. Er weicht uns bestimmt gleich aus. Keiner hat Lust 3 unverträgliche Hunde auf einem extrem schmalen Weg mit Zäunen drum herum auseinanderzupflücken. Das wird der auch wissen. Gleich weicht er aus, gleich geht er, glei…. „
… Der Mann geht auf dem schmalen Weg weiter direkt auf uns zu und ignoriert die Chance, entspannt auszuweichen. Uns trennen nun noch etwa 20m, bis 3 nicht nette Vierbeiner aufeinanderprallen. Ich fühle mich wie ein Fallschirmspringer, dessen Schirm sich kurz vor dem Boden nicht öffnen lässt. Nun muss ich schnell handeln, denn nicht nur die beiden Pelzdamen, sondern auch Balto vor mir wird bereits stocksteif und macht sich für den Fightclub bereit. Ich mache Kehrt und gehe zurück zum Anfang des Weges, um den Huskymann durchzulassen. Der Mann gibt ordentlich Gummi, sodass ich es auch als schneller Geher kaum schaffe, rechtzeitig abzubiegen bevor alle 3 Hunde auslösen. Puh, das war eine Hetzerei!

Ich erzähle diese Stories, um deutlich zu machen wie schwer es manchmal ist, einen schwierigen Hund vor sich selbst und vor allem vor seiner Umwelt zu schützen. Besonders durch Corona hat sich diese fehlende Voraussicht gefühlt verzehnfacht. Es fehlt Wissen, Respekt und Vernunft – das Problem kann an jeder Ecke lauern.

Muss man wirklich in so aussichtslosen Momenten unbedingt und zwingend direkt in sein Unglück steuern? Muss man seinem verträglichen Vierbeiner so eine offensive Konfrontation antun, nur weil man es kann? Auch hier gilt wieder: mit etwas Rücksicht und offenen Augen lebt es sich besser – und macht vor allem für alle Hundebesitzer Spaß.