Die Rasseliste – Der Wesenstest

Gestern, am 27.6.2015 war es endlich so weit. Nach Monaten des Wartens (und vor allem des Sparens!) fuhren Lana, Maila und ich mit unseren Begleitern in ein 40km entferntes Dörflein, um bei einem sachkundigen Tierarzt zum zweiten mal den Wesenstest abzulegen.  Schon lange war ich damit beschäftigt, den passenden Tester zu finden, da es zum einen Unterschiede im Preis, sowie auch in der „Masse“ der Durchführung gibt. So testen einige gleich 5-10 Hunde auf einmal statt sich für jeden einzeln Zeit zu nehmen. Und genau so eine Massenabfertigung wollte ich nicht.

Nun standen wir also auf der Einfahrt unseres ausgewählten, etwas älteren Tierarztes und Lana und Maila wurden prompt erstmal getrennt. Die zwei fanden das sichtlich doof und winselten verwirrt vor sich hin, denn im Alltag ist das fast nie der Fall…

Nun wurden wir erst einmal ausgefragt (woher kommt der Hund? Chipnummer/Haftpflichtversicherung? Vorbesitzer? Hat das Tier Vorerkrankungen? Und wer lebt mit ihm in einem Haushalt? Wird eine Hundeschule besucht? usw.). Danach begannen wir langsam mit dem Test. Der nette Herr war sehr verständnisvoll und sah sofort, dass Lana furchtbare Angst haben würde. Er sorgte so zumindest zwischen den Übungen dafür, dass sie sich etwas entspannen konnte.

Diese Übungen wurden u.a. durchgeführt:
– Er starrte sie offensiv an (Drohgebärde)
– fuhr mit dem Rad klingelnd mehrmals an uns vorbei
– benutzte einen Rasenmäher
– zeigte ihr einen Kinderwagen (inklusive Aufnahme eines schreienden Babys),
– benutzte einen Besen
– spielte mit einem Ball
– benutzte direkt vor ihr ein Feuerzeug,
– blies einen Luftballon auf und ließ die Luft entweichen als wir vorbeigingen
– hockte sich hin und sprang in die Luft als wir auf seiner Höhe waren
– hockte sich hin und tat so als ob er weinen würde

Bei jeder dieser Übungen war Lana vorsichtig, sehr schüchtern und versteckte sich hinter meinen Beinen. Manchmal erschreckte sie sich und bellte hysterisch, versuchte aber dann sofort die Situation zu verlassen. Nach jeder Übung kam er zu ihr um ihr zu zeigen, dass sie keine Angst haben musste. Beruhigung meinerseits war diesmal im Gegensatz zum ersten Test erlaubt. Maila hingegen verstand seine Drohgebärden absolut nicht und versuchte, mit ihm zu spielen. Als er sich „weinend“ hinhockte, ging sie zu ihm, schob die Hände vor seinem Gesicht weg und leckte ihm einmal quer über sein Gesicht. Wir waren beide sehr amüsiert über ihr treudoofes Verhalten. Bei der Übung mit dem Besen wollte Maila in die Borsten beißen, ließ sich aber schnell davon abbringen. Die gleiche Reaktion zeigte sie früher übrigens auch zuhause beim Staubsauger sowie an diesem Tag auch beim Rasenmäher und bellte noch zusätzlich. Alles in allem waren wir hier aber mit beiden Hunden zufrieden, denn trotz bellen und Angst war recht klar, dass sie niemanden angreifen würden.

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Nun kamen noch ein paar „böse Übungen“:
– ranganmaßende Gesten (ich sollte ihre Schnauze zuhalten und mit der anderen Hand auf ihren Rücken drücken)
– der Hund wird bedroht (mit einem Stock wedelnd und schreiend)

Auch hier zeigte Lana große Panik und versuchte sich zu verstecken. Sie bellte und knurrte, wusste allerdings dass sie hinter Frauchen sicher sein würde. Maila stand nur da und guckte doof.

Später wurde bei Maila noch der Grundgehorsam getestet. Sie lief frei und ich sollte sie zum Spiel auffordern. Dann sollte sie sich hinsetzen und zu guter Letzt ein Spielzeug apportieren (und es sich vor allem wieder wegnehmen lassen). Entgegen meiner Erwartungen hörte sie perfekt und bekam hier eine 1 😀

Zum Schluss wurden zwei fremde Hunde samt Besitzer hinter den Grundstückszaun postiert. Diese Übung wurde auch gefilmt. Noch vorher habe ich mit Lea Witze gerissen, dass bei unserem Glück ein riesiger schwarzer Hund dabei sein könnte, denn Lana hat bekanntlich gegen diese Gefährten eine ganz besondere Abeignung und will sie fressen. So war es dann auch. Eine riesige Labradorhündin und ein kleiner Dackelrüde standen dort.

(Besonders prekär: der Rentner mit dem kleinen Dackel hatte offensichtlich ein Problem damit, dass sein Hund die 10 Minuten des Wartens vor sich hinwinselte – und schlug ihn mit seinem Gehstock so hart, dass dieser aufschrie. Das sah auch der Tester und tat nichts dagegen, während ich mich nicht äußern wollte, weil ich immernoch in der „untergebenen“ Position stand und auf eine gute Bewertung angewiesen war – furchtbar!)

Lana beachtete die beiden zuerst nicht und blieb brav bei mir sitzen. Dann bekamen wir allerdings die Aufgabe, dort hin zu gehen und sie musste (!) schnuppern gehen. Mir war von vornherein klar, dass ihr das zu viel würde denn sie wollte dort nicht hin und wir liefen frontal auf diese Hunde zu. So kam es wie es kommen musste: sie versuchte die schwarze Hündin durchs Gitter zu beißen. Beim Dackelrüden war sie ähnlich wenig begeistert und knurrte. Als wir dann mehrmals an diesen Hunden passieren sollten, ignorierte sie sie wieder, denn ihr Abstand war gewahrt. Maila reagierte hier erst recht freundlich auf die beiden Artgenossen, doch dann verwirrte sie die Tatsache ebenfalls dass sich die Hunde frontal gegenüber standen. Sie knurrte ebenfalls, um sie dann im Vorbeilaufen ebenfalls komplett zu ignorieren. Nun sollte ich den jeweiligen Hund anbinden und weggehen, um zu sehen wie sie nun auf die Artgenossen reagierten. Beide Hunde interessierten sich absolut nicht für die anderen Hunde, denn sie waren voll und ganz damit beschäftigt, zu sehen wohin ihr Frauchen so ganz allein wollte 😉 Lana winselte hier und sprang, während Maila sich vom Tester sogar ins „Sitz“ bringen ließ und artig dort blieb, bis sie abgeholt wurde.

Nun war der Test vorbei und es wurden die Einschätzungen gemacht.

Einschätzung des Testers: Lana (die immer versuchte sich hinter mir zu verstecken) würde angeblich versuchen mich zu verteidigen (ich hatte bei Lana noch NIE eine Situation, wo man das auch nur ansatzweise hätte erahnen können!). Sie sei sehr unsicher (tatsächlich? Ist mir ja noch nie aufgefallen!) und ich solle weiter mit ihr an der Angst arbeiten. Sie sei allerdings hochaggressiv gegenüber anderen Hunden und bekäme nur eine Maulkorbbefreiung, wenn ich es mir zutrauen würde sie ohne zu führen (komisch dass wir dann regelmäßig mit anderen Hunden Gassi gehen und sie dort nie auffällig war). Maila hingegen sei sehr viel selbstbewusster und hätte einige Situationen perfekt gemeistert. Auch stehe sie in einem sehr guten Grundgehorsam (schön wärs wenn sie das manchmal selbst wüsste). Hier schätzte der Tester jedoch dass sie das Potenzial hätte, Kinder zu beißen, denn sie hatte ja in die Borsten des Besens gebissen mit dem er direkt vor ihrem Gesicht herumgefuchtelt hatte (denn Kinder und Besen sind ja bekanntlich das gleiche *Ironie aus*). Trotz allem schätzte er mich so ein, dass ich es schaffen würde, beide Hunde unter Kontrolle zu halten. Jedenfalls bekamen wir nun eine Maulkorbbefreiung für beide Damen bescheinigt.

blaFazit
So gut gemeint die Versuche auch sein mögen, die Realität wiederzuspiegeln: sie sind nicht real. Dieses Testverfahren entspricht nicht der Wirklichkeit, denn meine Hunde sind im wirklichen Leben immer gemeinsam unterwegs. Außerdem hatte ich innerhalb dieser kurzen Zeit noch nie so viele für den Hund unverständliche Handlungen eines Menschen auf einmal erlebt. Und das obwohl wir früher in Berlin gelebt haben, wo viele verwirrte Menschen herumrennen 😉 Aber mal Spaß beiseite: Auch wenn wir dieses mal einen verhältnismäßig „guten“ Tester gefunden haben, ist es einfach nicht möglich den Hund innerhalb einer Stunde vollständig einzuschätzen. Leider entstehen dadurch Trugschlüsse und es kommt zu Fehleinschätzungen (positiv wie auch negativ, das ist Zufall). Viele Hunde lernen zusätzlich durch den Wesenstest erst, dass komische Situationen bedrohlich sind und dass Frauchen oder Herrchen ggf nicht einmal eine Hilfe sind, wenn man Angst hat – sie dürfen ja je nach Tester nichtmal den eigenen Vierbeiner beruhigen. Während des Tests fühlt man sich manchmal total ausgeliefert, einfach weil alles davon abhängt wie ein Fremder das eigene Tier einschätzt. Man ist der Einschätzung schutzlos ausgeliefert, denn auch ein Tierärzt ist kein Hundetrainer und hat ggf. auch mal fehlerhafte Infos zu Hundeverhalten. Man kann also auf eine Frage völlig richtig antworten – empfindet der Tester die Aussage als falsch, hat man vielleicht schon verloren.
Mir wurde übrigens mitgeteilt, dass Sachverständige, die „zu billig“, also unter 300€ diesen Test durchführen würden, die Erlaubnis entzogen würde. Die Tierärztekammer fände einen Preis von mindestens 450€ angemessen für 1-2 Stunden Zeit. So kam es dazu, dass ich für diese schwammigen Einschätzungen meiner beiden Hündinnen 700€ zahlen muss, nur damit alles beim Alten bleibt. Vielen Dank also an dieser Stelle liebe Tierärztekammer für die vielen schlaflosen Nächte in denen ich ratlos nach einer Möglichkeit gesucht habe, diesen Test zu finanzieren.

2015-01-15 07.36.20Wie geht es nun weiter? Sobald man die Beurteilung bekommen hat (eine Seite pro Tier), reicht man diese beim Ordnungsamt ein. Nun entscheidet das Ordnungsamt, ob sie der Einschätzung des Testers traut und seiner Empfehlung auf sämtliche Befreiungen folgt oder etwas anderes anordnet. Die Bearbeitungsgebühr beträgt hier noch einmal mindestens 100€/Hund, damit der Mitarbeiter diesen einen Zettel in sein Fach einsortiert. Damit ist der „Spaß“ für uns erledigt und Lana und Maila sind von einem Tag auf den anderen in unserem Bundesland ihr Leben lang ungefährlich.

Aber Achtung: sobald wir über die Grenze Sachsen-Anhalts fahren, gilt der Test nicht mehr. Werden sie dann von einer auf die andere Sekunde blutrünstig? Man weiß es nicht 😉