Die Rasseliste – Vorurteile und Fakten

Vermutlich jeder Listenhund Halter kennt es: man ist mit seinem Hund in der Stadt, im Park oder in der Hundeschule und bemerkt, dass die Menschen die Straßenseite wechseln und man komische Blicke oder sogar dumme Sprüche erntet.

Lea und ich wurden schon des Öfteren als Asoziale beschimpft, nur weil wir mit Listenhunden unterwegs sind. Es gab sogar schon Leute, die ernsthaft lieber ins Gebüsch geklettert sind, als normal an uns vorbei zu gehen.
Oft beruht das Denken der Leute jedoch auf falschen Fakten und der „Kampfhundhetze“ in TV, Radio und Internet.

Ebenso zieht sich jedoch mittlerweile die Schlinge um den Hals vieler Schäferhundhalter enger. Auch gegen sie wird gehetzt, die Schuld wird bestimmten Rassen zugeschoben. Hier sollten viele Listenhundhalter einmal nachdenken, was sie für ihre Rasse fordern und dies auch anfangen auf andere Hunderassen anzuwenden, denn oft wird in Diskussionen über Gefährlichkeit die eigene Rasse verniedlicht, um kurz darauf sofort eine andere ins Licht zu zerren und diese runterzuputzen. Blöd nur, dass die eigenen Aussagen so keinen Sinn mehr ergeben.

Heute möchte ich mal mit einigen Vorurteilen über unsere Listis aufräumen und Fakten nennen.

Ein paar Fakten

Nicht jeder Listenhund ist aggressiv:
Viele Listenhundrassen werden seit Jahrzehnten wieder auf Verträglichkeit gezüchtet, auch wenn ganz früher das Zuchtziel für Hundekämpfe genau im Gegenteil bestand. Aggression ist beispielsweise in der Zucht von American Staffordshire Terriern oder Staffordshire Bullterriern absolut nicht gern gesehen und gilt sogar als Ausschlusskriterium.
Natürlich kann man nicht aus einem alten Kartoffelsack ein fancy Kleidchen nähen, es wird immer Hunde geben die die ursprünglichen Eigenschaften und Potenzial mitbringen. Man sollte damit einfach vernünftig umgehen und den Ursprung unserer Rassen nicht abstreiten. Bestimmte Hunderassen bringen nun einmal mehr „Griffigkeit“ mit als andere. Wäre das nicht so, gäbe es keine Rassen die für bestimmte Zwecke gezüchtet wurden.
Wie stark sich eine aggressive Verhaltensweise jedoch im Hundeleben ausprägt, hängt nicht nur von der Rasse und seiner Genetik ab. Es kommt außerdem auf das Umfeld, die Erziehung und die Sozialisation sowie Habituation des Hundes an. Noch dazu ist es eine Frage des Halters, sein Tier richtig einzuschätzen und Zwischenfälle zu verhindern wenn er einen Hund mit Potenzial besitzt. So kann ein Hund aus einer kritischen Blutlinie mit den richtigen Voraussetzungen absolut sicher in der Gesellschaft geführt werden, wenn der Halter der Richtige ist, ihn sichert und auf ihn achtet. Das ist ein Thema, das man viel mehr in der Hundeszene besprechen sollte, denn es fällt ganz oft auch bei anderen Rassen unter den Tisch. Würde es in der Hundegemeinschaft weniger Leute der Regenbogenpony-Fraktion geben die unseren Vierbeinern sämtliche Genetik absprechen und daraif plädieren dass schon nichts passieren wird, würde es deutlich weniger Vorfälle geben.

Wesenstests sind nur Scheinsicherheit:
Dass wir kritisch dem Wesenstest gegenüber eingestellt sind, ist glaube ich nicht neu. Lana und Maila haben beide Pflichttests bestanden – und das, obwohl sie wie viele Vertreter ihrer Rasse mit der Adoleszenz quasi absolut unverträglich wurden.
Eine Studie von Wissenschaftlern in Hannover hat herausgefunden, dass Listenhunde im Wesenstest genauso gut oder schlecht abschnitten wie Golden Retriever. Etwa 96-98% der Listenhunde, die getestet wurden, zeigten keine gesteigerte Aggressivität im Vergleich zu anderen Hunderassen. Es ist also fraglich, ob der Wesenstest überhaupt irgendeinen sinnvollen Bezug zur Realität herstellen kann. 

Der Biss eines Listenhundes ist nicht gefährlicher als der eines anderen Hundes:
Zugegeben, dieser Mythos muss schon aus Uromas Kramkiste kommen, wir wollten ihn aber trotzdem noch einmal erwähnen weil er so gut ist.
Das Gebiss unserer SOKA`s unterscheidet sich anatomisch absolut nicht von dem eines anderen Hundes. Jeder große Hund kann mit seinem Biss Schaden anrichten. Auch das Gerücht, ein „Kampfhund“ hätte eine doppelte Zahnreihe oder sein Kiefer würde „einrasten“ und nicht wieder loslassen, ist falsch (vertraut mir, ich habe nachgesehen 😉 ).
Die einzig logische Erklärung für diese Angst könnte die starke Bemuskelung am Kiefer vieler Listenhunde sein – jedoch gibt es laut meinen Recherchen viele Hunde, die auch ohne Bollerkopf noch mehr Beißkraft aufweisen können, beispielsweise Kangals aufgrund ihrer Größe oder Malinois.

Listenhunde sind familientauglich:
Besonders alle molosserartigen Rassen sind von Natur aus sehr gelassen und weisen eine hohe Hemmschwelle auf, bevor sie beißen. Schon früher wurden unsere Rassen darauf hin selektiert, keine Menschen zu beißen – der Besitzer musste sie im Ring immerhin auch voneinander trennen können. Unsere Hunde würden alles über sich ergehen lassen und lieben jegliche menschliche „Begrabbelung“. Verkleiden, Prinzessin spielen, anmalen – aber Achtung! Jeder Hund (egal welcher Rasse) sollte niemals unbeaufsichtigt bei Kindern sein und hat selbstverständlich trotzdem irgendwo seine Grenze oder Dinge, die er nicht mag.

Nicht alle „Kampfhunde“ sind riesig:
Neben den Listenhunden, die heute in der Rasseliste erwähnt werden, gibt es weitaus kleinere Rassen die in unserer Gesellschaft fast unbemerkt nebenher laufen und nie ein böses Wort auf sich ziehen. So zählt z.B. der Yorkshire Terrier mit seinen max. 4kg auch zu dem „Kampfhunden“, denn er wurde ursprünglich für Rattenkämpfe im Pit (dt. Ring) gezüchtet. Auch der Staffordshire Bullterrier mit seinen max. 41cm Schulterhöhe zählt nicht gerade zu den Riesenrassen.

„Kampfhunde“ werden von jeglichen Bevölkerungsschichten gehalten:
Oft wird gessagt, dass Listenhunde nur von Kriminellen und Asozialen gehalten werden. Das kann ich selbst widerlegen, denn ich kenne viele Studierende mit Hund (Lea und ich gehören dazu). Die Liebe zu diesen Rassen erstreckt sich über jegliche Berufsfelder, nicht nur in Deutschland. In Amerika will deshalb „The Majority Project“ darauf hinweisen, dass sogar berühmte Schauspieler und jegliche Soziale Schichten HUnde des Pitbull-Typs halten. Mehr dazu erfahrt ihr hier: http://themajorityproject.com/.

Diese Rassen gehören in liebevolle Hände:
Leider denken auch heute noch zu viele, einen großen Hund mit viel Aggression und Schmerz erziehen zu müssen. Dem Hund soll gezeigt werden, „wo es lang geht“. Dies sollte man jedoch nicht nur bei unseren Listis lieber sein lassen.
Hunde machen keine Fehler um uns zu ärgern, sondern weil sie es einfach nicht besser wissen. Sie vertrauen uns und beweisen so oft, dass sie für uns sogar bis in den Tod gehen würden. Gerade Listenhunde sollte man niemals mit Aggression erziehen, da dies (wie man im Fall Zeus sieht) sehr schnell gegen die Außenwelt umschlagen kann. Besonders die ehemaligen „Kampfhunderassen“ sind sehr menschenbezogen und lassen sich für ein Lob spielend leicht auf jedes neue Kommando ein. Ein Hund, der unter Starkzwang immer nur in seinen Problematiken gedeckelt wird, ist eine tickende Zeitbombe.

Aufgrund dieser Fakten, die allen Rasseliebhabern längst bekannt sind, gibt es seit einigen Jahren auch in Deutschland Zusammenschlüsse von Hundehaltern, die etwas gegen die Rasselisten unternehmen wollen. So organisiert der „SOKA RUN e.V.“ jährlich Demonstrationen in verschiedensten Städten Deutschlands, um auf die Missstände hinzuweisen. Sie fordern „Halterkunde statt Rasseliste“. Mehr dazu erfahrt ihr hier: http://www.soka-run.de/. Auch wir waren schon auf einer Demonstration gegen die Rasselisten in Magdeburg unterwegs.

 

Quellen:
http://www1.wdr.de/fernsehen/ratgeber/tieresucheneinzuhause/sendungen/kampfhunde114.html
http://www.hund-und-halter.de/index.php?option=com_content&view=article&id=317:tiho-spricht-kampfhunde-frei&catid=125&Itemid=126
http://www.contiboard.de/topic.php?t=647&page=last
http://de.wikipedia.org/wiki/Yorkshire_Terrier
http://de.wikipedia.org/wiki/Staffordshire_Bullterrier